Ingrid Oswald

Konsumzeit - Zeitkonsum

„Ich habe viel zu viel Stress und zu wenig Zeit“. Diese und ähnliche Äußerungen sind für westliche Kulturen heute typisch, wenn Menschen schildern sollen, wie sie ihre aktuellen Lebensumstände empfinden. In unseren Forschungen stoßen wir ebenso wie die Kollegen, die auf dem Feld der Alltagspsychologie und -soziologie arbeiten, immer wieder auf dieses Phänomen: Kaum ein Zeitgenosse, der bei Befragungen nicht darüber klagt, dass die heutigen Lebensverhältnisse wenig Raum für Muße und Kontemplation lassen.

Erinnerungen an Gewalt

Europa ist nicht arm an Erinnerungskulturen. Die postsozialistische Gesellschaftsentwicklung hat  dieses Phänomen noch verstärkt, denn die Nationalstaatsbildung nach dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens brachte enormen Schwung in die Re-Konstruktion nationaler Erzählungen. Die (Wieder-)Entdeckungen und (Gegen-)Erinnerungen an Gewalt und Vertreibung produzieren dabei neue Trennlinien, Brüche und Verbindungen, schaffen neue Gedenkpraxen und politische Ansprüche.

Entwicklung oder Transformation

Die Transformationsforschung zu den Gesellschaften (post-)sowjetischen Typs als ein reich verästelter Zweig der sozial-, politik- und kulturwissenschaftlichen empirischen  Forschung und Modellbildung wurde in den letzten Jahren wiederholt als „weitgehend abgeschlossen“ und daher obsolet dargestellt. Demgegenüber findet sich bei zahlreichen Transformationsforschern die Haltung, daß die Gesellschaftstransformation mit dem Institutionentransfer noch lange nicht abgeschlossen ist.