Überall Landschaft (2002/4)

Herausgegeben von: Rudolf Woderich

Die Metamorphose industrieller Räume – neue Landschaften also auf alten Industriearealen – ist ein Thema, das als solches Planer und Politiker, Landschaftsgestalter, Museologen und Soziologen in West-  und Mitteleuropa seit geraumer Zeit beschäftigt, fasziniert, aber immer wieder auch irritiert. Fragen der Sanierung, Gestaltung und Nutzung der neuen Räume, welche die alte Industrie hinterlassen hat, ließen in postsozialistischen Gesellschaften vielfach explosive Problemgeflechte entstehen, da sich Exkremente staatssozialistischer Industrien vielfach in besonders monströser und massierter Form präsentierten, Mittel und Kapazitäten häufig unzureichend verfügbar waren und sind, um Schäden zu beheben, neue Nutzungen zu ermöglichen.

Unter Bedingungen radikaler De-Industrialisierung der ostdeutschen Transformationsgesellschaft konstituierte sich eine anders strukturierte Problemlage: Auf Grund vergleichsweise großzügig eingesetzter Mittel für Stillegung, Sanierung und Begrünung blühten einst schwer verseuchte Landschaften – allen Unkenrufen zum Trotz – sehr wohl alsbald auf, allerdings ohne nachhaltige Beschäftigungschancen zu ermöglichen. Und die Spuren der Industrie wurden häufig mit jener hierzulande bekannten Gründlichkeit getilgt, gleichsam begraben unter einer grünen Decke des  Vergessens. Zwar gelten herkömmliche Programme, insbesondere der Rekultivierung von Braunkohlentage bauen, die vorrangig an technischen und Sicherheitsstandards orientiert sind, international seit  geraumer Zeit als obsolet, sie wurden bzw. werden jedoch in ostdeutschen Regionen mit erheblichem Aufwand und geringen kulturellen Effekten gleichsam ungerührt fortgeführt. 

Der Diskurs um neue Landschaften „nach der Industrie“ hat längst fachdisziplinäre Begrenzungen verlassen; er impliziert nicht nur eine Vielzahl von Schnittpunkten und Anschlußstellen zu anderen aktuell diskutierten Themenfeldern, sondern erweist sich wegen der materialen Komplexität des empirischen Gegenstandes zunehmend sogar als ein Fokus postindustrieller Debatten und Konzeptionsbildungen.

Stichworte: Industrie, Zeit, Landschaft, Natur

Erschienen: 2002

Inhalt

  • Aufräumen nach der Industrie
  • Geronnene Zeit und fließende Zeit
  • Breunsdorf oder Die Natur im Auge des Menschen
  • Landschaften jenseits der Nutzung
  • Inszenierung der Landschaft – Chancen und Gefahren
  • Reise zum Mars
  • Lernprozesse im Industriellen Gartenreich
  • Ein europäischer Robin Hood?
  • Korsch als früher Kritiker des Stalinismus
  • Der tschetschenische Partisanenkampf zwischen Tradition und Moderne
  • Karl Gabriel (Hg.): Der Dritte Sektor
  • Martin Endress: Vertrauen
  • Oskar Negt: Arbeit und menschliche Würde
  • Michel Foucault: Schriften I
  • Gundula Englisch: Jobnomaden

Im Webshop kaufen
Coverbild von  Überall Landschaft